Neue Köpfe in der alten Brauerei

Seit Januar 2020 hat die ehemalige Werkstatt der Kulturen in der Wissmannstraße (kürzlich umbenannt in Lucy-Lameck-Straße) einen neuen Betreiber und heißt jetzt Oyoun. Was hat sich sonst noch geändert?

Quelle: Anna Wyszomierska

Quelle: Anna Wyszomierska

Quelle: Anna Wyszomierska

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„Es ist eine komplette Neuausrichtung“, sagt Louna Sbou, Geschäftsführerin von Kultur NeuDenken, dem neuen Betreiber. Der Name ist Programm. Das Kulturzentrum versteht sich als Plattform für diasporische und internationale Kunst und Kultur - und das stets mit einem dekolonialen, queer-feministischen und migrantischen Blickwinkel. „Wir sprechen ein anderes Publikum an als die Werkstatt der Kulturen“, erklärt Louna Sbou. „Wir kritisieren das Konzept der 'Weltmusik' und würden kein Konzert mit 'Musik aus dem Kongo' betiteln.“

Die Nachbarschaft einbinden

Nach der mehrmonatigen Umbauphase wollte das dreiköpfige Team zunächst seine Nachbarschaft kennenlernen. „Ich hab mich selber auf die Straße gestellt und Leute angesprochen,“ erzählt Louna Sbou. Dabei stellte sich heraus, dass viele das Haus gar nicht kannten oder zumindest noch nie dort waren. Das will Oyoun (arabisch für „Augen“ oder „Blicke“) ändern. Ein Gemeinschaftsgarten für die Nachbarschaft ist entstanden, wo im letzten Sommer bereits Kartoffeln und Zucchini geerntet wurden. Mit der benachbarten Kita wurde ein Anti-Rassismus-Workshop durchgeführt und auch zum Familienzentrum gibt es erste Kontakte.

Ein Anticafé zwischen Berlin und Marrakech

Auch der neu gestaltete, einladende Cafébereich im Erdgeschoss soll einen niedrigschwelligen Zugang schaffen. Das sogenannte „Anticafé“ heißt be'kech (das „be“ steht für Berlin und „kech“ für Marrakech) und hat ein ungewöhnliches Konzept. Man bezahlt nach der Verweildauer, eine Stunde kostet 3 Euro. In dieser Zeit kann man so viel essen und trinken, wie man will. Ob das nach dem Lockdown fortgeführt wird, ist noch nicht klar. Hürden wurden aber auch in anderer Hinsicht abgebaut. „Der barrierearme Zugang ist uns ein großes Anliegen“, so Louna Sbou. Die meisten Räume sind mit dem Rollstuhl erreichbar. Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen wurden unter anderem Ruheecken eingerichtet. Mit einem Inklusionsteam wird an weiteren Verbesserungen gearbeitet.

Queeres Kino und Theaterprojekte 

Die große Eröffnungsfeier am 14.März 2020 fiel genau mit dem Beginn des Lockdowns zusammen und so konnte das umfangreiche Programm nur gestreamt werden. Der Sommer lief dann recht gut, erzählt Louna Sbou. Insgesamt gab es bislang über 100 Veranstaltungen, im September und Oktober noch als Präsenzveranstaltung, etwa das Soura Filmfestival mit queerem Kino aus Nordafrika und dem Nahen Osten. Ob Ausstellungen, Installationen, Konzerte, Tanzperformances oder das biografische Theaterprojekt für Frauen mit Migrationshintergrund – im Oyoun bewegt man sich nicht nur zwischen den Formaten, sondern auch quer durch die Sprachen. In vielen Veranstaltungen wird zwischen deutsch und englisch, spanisch und arabisch hin– und her gewechselt.

Wenn der Prinz den Prinzen heiratet

Das gilt auch für den Kids Club. Hier werden Kinder betreut, deren Eltern an Workshops teilnehmen. Am Wochenende gibt es Programm, beispielsweise Puppentheater, Empowerment-Clownerie oder Capoeira-Workshops – derzeit allerdings nur als Live-Stream. „Es geht uns darum, die Kinder in ihrer Identität zu ermächtigen“, erklärt Louna Sbou. Und so kommt in den Geschichten eben auch die Prinzessin vor, die sich als Prinz fühlt oder es sind zwei Prinzen, die sich lieben.   

Die ehemalige „Bergbrauerei Hasenheide“ wurde 1887 eingeweiht und bis 1975 als Brauerei mit Biergarten genutzt. Ab 1990 wurde das markante Klinkergebäude mit dem Eckturm zum Kulturzentrum umgebaut. 2019 hat der Senat die Trägerschaft neu ausgeschrieben. Das landeseigene Gebäude an der Hasenheide steht unter Denkmalschutz.


Oyoun
Wissmannstraße 32 (demnächst Lucy-Lameck-Straße)
Telefon (030) 680 50 860
Homepage: www.oyoun.de
Facebook: www.facebook.com/oyounberlin/