Gewerbe und Handel im Wandel

Etwas weniger Handel und Gastronomie, dafür mehr soziale Einrichtungen: Das Gewerbe im Flughafenkiez hat sich in den letzten vier Jahren teils deutlich verändert. Das zeigt eine Untersuchung des Quartiersmanagements Flughafenstraße.

Quelle: Jens Sethmann

Die Studentin Lisa Kammann ist als Praktikantin beim Quartiersmanagement im Juni und Juli 2022 durch alle Straßen des Flughafenkiezes gegangen und hat die gewerblichen Nutzungen eines jeden Hauses notiert. Die Ergebnisse hat sie mit einer ähnlichen Erhebung aus dem Jahr 2018 verglichen. Aus den Veränderungen der letzten vier Jahre lassen sich interessante Entwicklungen ablesen.

Insgesamt gibt es im Quartier 526 Gewerbeeinheiten. Das sind fast fünf Prozent mehr als im Jahr 2018. Der Zuwachs liegt vor allem daran, dass es vermehrt teilgewerblich genutzte Wohnungen gibt, etwa wenn ein selbstständiger IT-Berater sein Büro in seiner Wohnung führt. 22 Gewerbeeinheiten standen bei der Zählung leer. Das ist eine Quote von 4,2 Prozent.

Leichter Rückgang bei Einzelhandel und Gastronomie

Unter den Gewerbeeinheiten gibt es 303 klassische Ladengeschäfte, die sich im Erdgeschoss der Vorderhäuser befinden. Die meisten Läden liegen in der Flughafen- und Karl-Marx-Straße, aber auch die Hermann-, Boddin-, Reuter- und Mainzer Straße sind dicht mit Läden besetzt. In den kleineren Straßen gibt es in den Erdgeschossen nach wie vor viele Wohnungen.

Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte ist von 102 auf 98 leicht zurückgegangen. Auffällig ist dabei, dass die Second-Hand-Läden, die die Flughafenstraße zu einer weithin bekannten Trödelmeile gemacht haben, sich deutlich verringert haben: Von elf Geschäften sind heute nur noch sechs vorhanden. Auch die Gastronomie ist von 82 auf 74 Betriebe geschrumpft.

Zuwachs bei sozialen und kulturellen Einrichtungen

Einen großen Anteil nimmt das Gesundheitswesen ein: Es gibt insgesamt 79 Arztpraxen, Therapeuten, Apotheken, Optiker und ähnliche Betriebe im Quartier. Deutlich zugenommen haben die Einrichtungen aus dem Bereich Gemeinbedarf/soziale Infrastruktur, nämlich von 51 auf 65. Dazu zählen zum Beispiel Beratungsstellen der Integrations-, Sucht- oder Wohnungslosenhilfe, aber auch die Kitas und Schulen. Daneben verzeichnet auch die Kulturbranche einen Anstieg von 13 auf 17 Gewerbeeinheiten.

Während sich der Einzelhandel, die Gastronomie und die Gesundheitseinrichtungen vor allem an den Hauptstraßen ballen, verteilen sich die Kreativwirtschaft, die Kulturbranche und die Gemeinbedarfseinrichtungen mehr in den Nebenstraßen, zum Teil auch in den Hinterhöfen. Es fällt auf, dass in der Haupteinkaufsmeile Karl-Marx-Straße sieben Gewerbeeinheiten leer stehen. Vermutlich haben hier auch die Corona-Auflagen der letzten Jahre dazu beigetragen, dass einige Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe, die auf Laufkundschaft angewiesen sind, aufgeben mussten.

Die problematischen Spielhallen und Wettbüros sind auch nach der Verschärfung des Glücksspielstaatsvertrags von 2020 nicht verschwunden. Zwar gibt es nur zwei „echte“ Spielhallen, doch in mindestens neun Bars und Cafés wird offensichtlich Glückspiel betrieben.

Gute Versorgung, aber mit Verdrängungsgefahr

Aus Sicht des Quartiersmanagements ist der Zuwachs an sozialen Einrichtungen besonders erfreulich. Auch die Vielzahl der Medizin-Dienstleister ist positiv. Insgesamt ist die Versorgungslage im Quartier gut. Ein vielfältiges Angebot ist auf kurzen Wegen erreichbar. Obwohl auch im Gewerbe Ansätze einer Gentrifizierung zu beobachten sind, „ist der Flughafenkiez auch 2022 noch ein Quartier, in dem Anbietende des Niedrigpreissegments dominieren“, heißt es in der Gewerbestudie. „Da die Gewerbemieten in Neukölln aber weiterhin steigen, ist eine Zunahme von Verdrängungstendenzen in Zukunft nicht unwahrscheinlich.“ Weil es für Gewerbemietverträge nur wenige Regeln gibt, sind vor allem soziale Träger ohne große Umsätze bei Mieterhöhungen und Kündigungen weitgehend schutzlos. Dabei sind diese Einrichtungen gerade für benachteiligte Quartiere wie den Flughafenkiez enorm wichtig.